Für einen kurzen Moment lacht sie über seine Worte. Ein ganz normales lachen, wie jedes andere auch und trotzdem wundert sie sich darüber. Sie kommt sich irgendwie blöd vor, so lustig war das doch gar nicht. & trotzdem hat sie gelacht. Er spricht weiter sie erwidert. Der kühle Wind weht ihr ins Gesicht und die Haare in die Augen. Sie fröstelt ein bisschen, versucht aber nicht weiter daran zu denken. „Ich muss jetzt nach rechts“, sagt er leise und zeigt in die Richtung. Sie nickt, beide lächeln sich kurz zu und verabschieden sich formlos. Ohne Körperkontakt, ohne großem Tamtam. Er biegt rechts in die Seitengasse ein, während sie weiter gerade ausgeht. & so haben sich ihre Wege getrennt. Weil sich Wege nun mal immer irgendwo trennen.
Sie pustet sich in die Hände und reibt sie dann aneinander. Wärmer werden sie dennoch nicht. Vor allem die rechte Hand ist bereits eiskalt und rot. Ihre Füße sind kalt, die Schuhe sind nicht mehr so dicht und warm wie letztes Jahr. Der Schnee und die Kälte kriechen langsam durch das falsche Leder. Es ist noch immer Winter draußen. Vor ein paar Tagen hat es geregnet und der gesamte Schnee schmolz dahin. Das schöne weiß wurde zu grauem Matsch und Wasser. Sie hat es wortlos mit angesehen und hat mit dem Schneemitgeweint. Eine salzige Träne für abermillionen Schneekristalle. Sie hätte mehr weinen müssen. Doch tags darauf kam der Schnee zurück, so viel schöner als vorher. So viel weißer und so viel kälter. Heute liegt der Schnee noch immer auf den Straßen, auf den Dächern auf den Autos. Es ist kalt und dunkel. Nur die Straßenlaternen leuchten ihr den Weg. Kein Stern und kein Mond am Himmel, nur grauer Nebel ohne Konturen. Die Eiskristalle glitzern im Licht der Laternen. Wunder, wunderschön. Es ist nach Mitternacht und in diesem Teil von Wien ist es leise. Nur ihr atmen hört sie und Schritte hinter ihr. Sie dreht sich um und denkt, dass es vielleicht er sein könnte. Doch es ist nur eine dunkle kleine Gestalt, nicht zu erkennen wer es ist. Auf jeden Fall wirkt es fremd. Sie versucht ruhig zu bleiben, schließt die Augen und geht weiter. Nur nicht laufen. Die Schritte hinter hier kommen immer näher. Sie werden immer lauter, immer bedrohlicher. Leise biegt sie in die Kleingartensiedlung ein, sie versucht so unauffällig wie möglich zu sein. Mit dem Nebel zu verschmelzen, und nichts zu werden. Wie oft hat sie sich schon gewünscht nichts zu sein. Sie hat Angst sich umzudrehen, angst zu sehen wer hinter ihr ist. Ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, ob es ein älterer oder jüngerer Mensch ist, ob es jemand zum fürchten ist. Sie dreht sich nicht um, und spürt die Kälte im Nacken.
Die Nächte in Wien sind kalt und einsam. Bedrohlich und Angst einflößend. Traurig und herzzerreißend. Die Nächte in Wien berühren.
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