„Your Majesties“
von Alexander Deutinger und Marta Navaridas
brut Wien, 09.04.2011
Ein großer, leer wirkender Raum. Vom Scheinwerfer ausgeleuchtet. In der Mitte ein Stuhl. Nachdem das Publikum Platz genommen hat, kommt ein Mann hinter dem schwarzen Vorhang hervor und betritt den Bühnenraum. Er trägt Anzug und Krawatte. Er klammert sich an die Zettel in seinen Händen und beginnt zu lesen. Der Mann trägt die Friedensnobelpreis-Rede, welche der US-Präsident Barack Obama im Jahre 2009 gehalten hat, vor. Doch schnell wird klar, im Mittelpunkt dieser Produktion steht weniger der Text, sondern vielmehr der Körper.
Ein Special ohne Special Effects
„Your Majesties“ ist das diesjährige Special des Freischwimmer Festivals im brut Wien. Warum dieses Stück nur bei uns gespielt wird, erklärt Haiko Pfost im Interview mit Vanessa Scharrer und Daniela Scheidbach:
„Dieses Jahr haben wir den Sonderfall in der Wiener Ausgabe: ‘Your Majesties’. Das ist so eine Spezialsache von Alexander Deutinger und Marta Navaridas. Die haben sich auch für das Festival beworben und wir fanden die Produktion sehr interessant, sie war aber schon fertig, deswegen ist sie auch aus formalen Gründen ausgeschieden, andererseits hat sie inhaltlich sehr gut gepasst, deswegen präsentieren wir sie als Spezialprogramm nur in Wien.“
Es handelt sich also um ein Gastspiel von Alex Deutinger und Marta Navaridas, welches nur am 9.4. aufgeführt wurde. „Your Majesties“ ist keine Parodie und auch keine schnöde Wiedergabe von Obamas Rede, sondern vielmehr eine Tanzperformance. Die Bewegung und deren Abläufe stehen im Vordergrund. Daher braucht das Stück nicht mehr als einen Raum und einen Körper. Keine Spezialeffekte, keine Musik, kein Lichtspiel.
Fremdgesteuert
Deutinger steht auf der Bühne, Navaridas im Publikum. Deutinger mimt Obama, der dessen Rede in englischer Sprache vorträgt. Im ersten Moment wirkt alles klar. Erst nach und nach merkt man, dass die Bewegungen überzogen und gespielt sind. Deutinger scheint nicht so ganz zu wissen, was mit seinem Körper passiert. Als könne er seine Bewegungsabläufe nicht kontrollieren, als würde er von außen gesteuert. Spätestens in dem Moment, in dem Deutinger breitbeinig auf dem Stuhl sitzt und alle Viere von sich streckt, wird klar, dass er eine Marionette ist. Doch eine Marionette von wem? Ich drehe mich um und sehe Marta Navaridas, die mitten im Publikum auf einem Podest steht, und Deutinger die Posen vorgibt. Ihr Gesichtsausdruck ist stark. Als hätte sie Spaß daran. Sie setzt sich hin, zieht ihre Socken aus. Deutinger macht es ihr nach. Es ist wie ein Spiel. Dies vermitteln auch die Karten, die Navaridas zückt. Die gelbe Karte bringt Deutinger dazu, sich in die Ecke zu stellen. Durch die rote Karte verlässt er den Raum. Die blaue Karte bringt ihn zum Singen, die grüne Karte dazu, dem Publikum die Hände zu schütteln. Immer wieder springt Deutinger wie ein Tänzer durch den Raum und versetzt sich in Kraftposen, die teilweise auch den Text unterstreichen sollen. Er spricht von Kampf und streckt die Faust in die Luft. Er spricht von „evil“ und zeigt uns den „Metal-Gruß”. Es wirkt absurd.
Was fehlt und bleibt
Der vorgetragene Text ist die Rede. Durch die Bewegung tritt dieser jedoch in den Hintergrund und nach einiger Zeit hört man auch gar nicht mehr auf das Vorgetragene, sondern konzentriert sich nur mehr auf Navaridas‘ und Deutingers Posen. Etwas schade. Da man auch mit dem Text hätte spielen können. Das Stück wirkt etwas langatmig, trotz amüsanter Bewegungsabläufe. Es fehlt an Spannungsmomenten und auch am Höhepunkt. Es plätschert einfach dahin. Am Ende bedankt sich Deutinger, während Navaridas wieder ihren Platz im Publikum einnimmt. Es ist und bleibt also eine Tanzperformance, die weder Fragen stellt noch beantwortet. Dafür jedoch mit einzelnen Aspekten spielt.
Der Politiker entlarvt
Im Mittelpunkt steht der Politiker, auf den das Publikum starrt. Im Hintergrund befinden sich die Strippenzieher. Wie hier Navaridas, die im Publikum steht und die Kontrolle sichtlich genießt. Das Publikum merkt erst nach einiger Zeit, dass es einen Drahtzieher gibt. Auch in der Realität ist uns oftmals nicht bewusst, dass Politiker oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oft nur sagen, was wir hören wollen. Dass Texte vorgetragen werden, die nicht vom Vortragenden geschrieben wurden. Auch die Körpersprache spielt eine große Rolle. Diese wird in „Your Majesties“ ad absurdum geführt. Deutinger wird als Marionette entlarvt. Seine Bewegungen wirken oft wie Posen, sie haben nicht den Anspruch, real zu wirken. Es wird die einstudierte Körpersprache der Politiker betrachtet, aber auch die Abhängigkeit von Politiker und Berater. Denn Deutinger ist von Navaridas abhängig. Wie würde er ohne sie existieren? Wie würde er sich ohne sie bewegen?
Geschrieben für den Freischwimmerwien-Blog.
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