Kunst & Kultur

Eisenstein’s Attraktionsmontage

6. Juli 2010

Legen Sie Grundzüge von Eisensteins Konzept der Attraktionsmontage dar.
Laut Bulgakowa gehört die Attraktionsmontage von Sergej Eisenstein zu seinen theoretischen Anfängen. Eisenstein setze in dieser Periode vor allem auf die Beeinflussung des Publikums, er wollte auf die Menschen „einwirken“.
Die Entwicklung seiner Montagetheorie begann bereits zu seinen Theaterzeiten. Er schrieb das Manifest „Montage der Attraktion“, hier analysierte er das revolutionäre Theater. Eisenstein setzte sich mit Bewegungsillusion auseinander. Eines seiner Beispiele hierzu sind drei Löwen: Ein schlafender, ein aufwachender und ein schreiender, die nacheinander montiert werden. So entsteht Bewegung, aber auch Bedeutung. Eisenstein definiert die Attraktion im Theater als „selbstständiges und primäres Konstruktionselement einer Aufführung – als molekulare Einheit (Bestandteil) der Wirksamkeit eines Theaters und der Bühnenkunst überhaupt.“ Die Attraktion ist laut Eisenstein etwas relatives, das auf der Reaktion des Zuschauers basiert.

Am stärksten wurde Eisenstein von Wsewolod Meyerhold beeinflusst, so Bulgakowa. Das Drama im Theater zerfiel und wurde zu kleinen, geschlossenen Episoden die beliebig montierbar waren. Die Handlung konnte durch Revuen oder Zirkus-Nummern unterbrochen werden. Daraus entstand der Begriff der Attraktion. Mit Attraktion meinte man einen abgeschlossenen Teil (eine „Nummer“) der Aufführung.

Auch in seinen Filmen wollte Eisenstein auf den Zuschauer einwirken. Die Attraktionsmontage „als eine programmierte ‚Folge‘ zum Auslösen von Erschütterungen und Emotionen“. Der Regisseur selbst wurde als Ingenieur gesehen, der wissen musste, wie er den Film organisiert. Die Montagefolge konnte vom Regisseur mathematisch berechnet werden, laut Eisenstein. Der Filmschnitt wurde als technische Operation verstanden.

Eisenstein selbst benutzt die Attraktionsmontage in seinen Filmen, und schreibt in seinem „Manifest der Filmattraktion“ darüber. Der Film ist durch die Montage kein bloßes Zurschaustellen, sondern „eine tendenziöse Auswahl und Zusammenstellung von Ereignissen“, die keine handlungsbezogene Aufgabe besitzen und das Publikum bearbeiten. Es ist eine formale Herangehensweise.
Im Mittelpunkt dieser Montage steht die Verknüpfung. Die Verknüpfung der einzelnen Folgen kann durch die Handlung motiviert sein, oder durch assoziative und thematische Kopplungen. Hierbei gibt es eine Gleichberechtigung aller Stimuli (akustische, visuelle, olfaktorische, taktile). Eisenstein nennt diese Montageart daher auch „Kunst der Kopplung“, die einzelne Bilder nacheinander demonstriert. Durch die Kopplungen und Anhäufungen entstehen Assoziationsketten und Assoziationen im Zuschauer, die einen stärkeren Effekt haben, als das Geschehen direkt zu zeigen. Eisenstein setzt bei seiner Montage auf Kontrapunkte. Ein Beispiel dafür ist die Szene aus dem Film „Streik“: Es werden laufende Arbeiter gezeigt die von Soldaten hingerichtet werden sollen, dies wird jedoch mit einer Szene aus einem Schlachthof zwischengeschnitten, sodass der Zuschauer nicht sieht wie die Menschen hingerichtet werden, sondern nur die Kuh am Schlachthof. Laut Eisenstein ist diese assoziative Kopplung viel stärker. Die Attraktionsmontage verfolgt das Reiz­-Reaktion Prinzip. Der Zuschauer bekommt Bilder, die logisch aneinandergereiht werden müssen und muss auf diese dann reagieren, die Assoziationen zusammenfügen. So wird der Zuschauer zu einem Schöpfer und bleibt nicht nur Rezipient. Eisenstein zeigt nicht das Ganze, sondern nur Hinweise oder einen Teil. Die Information „Mann ist im See ertrunken“ wird nicht direkt gezeigt, Eisenstein zeigt beispielsweise einen Gegenstand am Ufer, der dem Mann gehört hat. Diese Bilder wirken laut Eisenstein stärker und erzeugen einen maximalen Effekt.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich die Attraktionsmontage von Techniken aus dem Theater herleitet. Eisenstein will Bilderfolgen erstellen, die meist Kontrapunkte aufweisen und im Zuschauer Erschütterungen und Emotionen hervorrufen. Eisenstein erzeugt Assoziationsketten, die der Zuschauer deuten muss. Die Montage soll logisch sein und den Zuschauer beeinflussen. Die Montagefolge zielt auf eine ganz bestimmte Emotion ab, die im Rezipienten hervorgerufen werden soll. Hierzu ist das Reiz-Reaktion Prinzip von großer Bedeutung. Die Assoziationen sind zu einem gewissen Grad vorherbestimmt und berechnet. Ob die Tiefe der Bilder wirklich immer völlig verstanden wird, ist fraglich. Mathematisch berechenbar ist sie wohl auch nicht. In jedem Fall aber wird der Zuschauer gefordert, er muss aufmerksam sein, logisch denken und die Bilder miteinander verknüpfen, um zu verstehen.

Literaturverzeichnis:
Burgakowa, Oskana: Montagebilder bei Segej Eisenstein. In: Beller, Hans (Hg.): Handbuch der Filmmontage. Praxis und Prinzipien des Filmschnitts. München. 1993. S. 49-77.

Eisenstein, Sergej: Das dynamische Quadrat. Schriften zum Film. Leipzig. Reclam Verlag. 1988.

Video aus dem Film Streik // Attraktionsmontage:

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