Kunst & Kultur

Zwischen Scham, Lust und Reinheit.

20. April 2010

Thomas Vinterbergs neues Stück „Das Begräbnis“ setzt die Familientragödie fort, die mit dem Film „Das Fest“ 1998 begann. „Das Fest“ kam erst später auf die Bühne, wohingegen „Das Begräbnis“ nun nur für die Bühne inszeniert wurde.
Zwischen Missbrauch, alten Geistern und trockenem Humor nimmt das Stück seinen lauf.

Alte Geister
Michael (Oliver Stokowski) betritt die Bühne des Burgtheaters mit den Worten „Verdammt noch mal!“. Die Bühne stellt ein Hotel dar, mit alten Möbeln und Lampen. An der Wand noch immer ein Bild des verstorbenen Vaters, dessen Begräbnis stattfinden wird. Dies ist der Grund für die Zusammenkunft der Familie. Michael, der mit seiner neuen Frau Sofie (Johanna Wokalek) und seinem Sohn Henning angereist ist, weint um seinen Vater. Seine Schwester Helene (Christiane von Poelnitz) nimmt den Tod des Vaters lockerer. Mit ordinären Sprüchen und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, lockert sie die Stimmung. Bruder Christian (Martin Wuttke) wirkt etwas abwesend. Die Geschwister sind alle samt aufbrausend und sichtlich überfordert mit der Situation. Hatte doch Christian vor 10 Jahren das Geheimnis der Familie ans Licht gebracht: Er wurde von seinem Vater missbraucht. Die Mutter (Corinna Kirchhoff) will von all dem noch immer nichts wissen, und Reden sind sowieso verboten. Christian wird immer noch von seinem Vater heimgesucht. Dieser vermacht ihm sogar das Hotel.

Alte Tragödien
Als unvorhergesehen der Strom ausfällt treffen Christian und Henning aufeinander. Henning war gerade duschen, und Christian tut das, was sein Vater auch mit ihm gemacht hat. Das leichte, mit Witz gespickte Spiel bricht ab und die Stimmung kippt. Pia (Dörte Lyssewski), Christians Frau hat es gesehen. Nur was tun? Wem sagen? Aufgebracht will sie mit Christian reden. Die beiden gehen aufeinander los. Nach und nach erfahren Helene und dann auch Sofie was wirklich passiert ist. Das schlechte Gewissen und der Hass auf ihn selbst bringen Christian dazu es seinem Bruder zu sagen. Michael, der aufbrausend ist und sich nur schwer kontrollieren kann, hört seinen Bruder an. Nach und nach versteht er was passiert ist. Christian geht auf Michael los, weil er bekommen will was er verdient hat: Prügel. Und so kommt es dazu, dass Michael seinen Bruder mit einem Schürhaken verprügelt.

Es wird die Geschichte einer kaputten Familie gezeigt. Christian führt das weiter, was ihm selbst angetan wurde. Er fühl sich infiziert von diesem Virus, er fühlt sich diesem Drang hilflos ausgeliefert. Nach dem Vorfall mit Henning beichtet er seinem alten Freund dem Koch (Tilo Nest) alles. Martin Wuttke wird bleich auf der Bühne und zittert. Man kennt ihm die Angespanntheit hat. Über allem steht der Vater gespielt von Michael König, der sowohl Christian als auch Sofie heimsucht. Er erzählt von der Reinheit der jungen Leute, und von den Dingen die ihn sexuell anziehen. Das es nichts schlimmes ist, zumindest nicht in dem Moment, nur später dann kommt die Scham.

Michael König kommt immer wieder aus dem Dunkeln ans Licht. Mit leicht gebücktem Gang und trockener Stimme erklärt er seine Taten, und redet Christian noch ins Gewissen. Martin Wuttke wirkt gebrochen und verstört, und spielt die Rolle des Christians überzeugend. Dörte Lyssewski die Pia verkörpert wirkt zunächst noch fröhlich, ungezwungen und glücklich. Von Szene zu Szene kommt immer mehr zum Vorschein. Zunächst ihre Sehnsucht nach Christian, der nicht mit ihr schlafen will. Danach der Hass und das Unverständnis, dennoch kommt sie nicht von Christian los, denn er ist das Einzige was sie hat. Johanna Wokalek verkörpert die naive Sofie, die nicht so ganz versteht was eigentlich passiert ist. Im kleinen schwarzen und mit leichtem Gang bewegt sie sich über die Bühne. Alles in allem eine hervorragende Besetzung. Lediglich Corinna Kirchhoff nimmt man die Rolle der zerbrechlichen Mutter nicht ganz ab. Sie wird in den Hintergrund gespielt.

Im Vordergrund stehen die Schauspieler. Zunächst noch mit Witz, dann bitterer Ernst. Musik wird sparsam aber wirksam eingesetzt. Das Stück wird ohne Pause gezeigt, und wird somit gegen Ende hin etwas langatmig, dennoch packen Szenen wie Christians Geständnis das Publikum so sehr, dass es nicht unruhig wird. Die Spannung steigt von Szene zu Szene. Dennoch hätte man das ein oder andere aussparen, oder zumindest verkürzen können. Das Stück fesselt und ist trotz großer Bühne intim und ergreifend.

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