Leben & Persönliches

Personal: Wir sind alle Fake! Und warum das gar nicht schlimm ist.

4. November 2015

Viele von euch haben gestern bestimmt die Geschichte von Essena O’Neill in einem Blog, einem Online Magazin oder irgendwo anders online aufgeschnappt, daher nur kurz: Essena O’Neill, australische Instagrammerin und YouTuberin, will ihr Dasein auf Instagram, YouTube und Tumblr beenden. Im ersten Moment nichts wirklich weltbewegendes, aber der Hype, der darum gerade entsteht, ist nicht nur wichtig, sondern auch spannend. Und darum gibt’s auch von mir ein paar Gedanken dazu.

Es gibt Geschichten, die sind so spannend, aufregend und bewegend, dass sie um die Welt gehen. Als ich P. gestern davon erzählte, dass eine bekannte australische Instgrammerin (die ich vorher nicht kannte) mit Social Media Schluss machen möchte, war seine erste Reaktion: „Who cares?“ Ich musste lachen, denn im ersten Moment ist das wirklich nichts, worüber man reden würde. Doch wenn ich mir meinen Newsfeed so ansehe, „caren“ jedoch ziemlich viele Menschen. Zumindest oberflächlich, auch wenn hinter diese Geschichte so viel mehr steckt.

Die Medien haben sich gestern nur so auf diese Geschichte gestürzt, die immergleichen News wiedergekaut und dieselben Klicks-bringenden Fotos gezeigt. Was leider immer ausgespart wurde: Das Problem, das Essina anspricht und über das man diskutieren könnte. Also wie Medien unser Leben beeinflussen und auch den Umgang mit ihnen. Während die einen eine Woche lang „real“ auf Instagram sein wollen, meinen die anderen, dass wir doch alle nur noch Fake sind. Sehr lesenswert ist auch der Beitrag von Nike Jane, in dem sie sich einfach nur Gedanken zu dieser ganzen Geschichte macht. Und genau darum geht es. Dass wir uns Gedanken darüber machen. Nicht nur jetzt, während diesem Hype, sondern so ganz grundsätzlich.

Denn dieses „Problem“ gibt es nicht erst seit gestern, sondern seit es Medien gibt. Auch die Tatsache, dass Social Media nicht real ist, ist keine neue Erkenntnis, aber etwas, das einige oft vergessen und andere, junge Menschen, vielleicht zu Beginn gar nicht bewusst ist, weil sie es nicht lernen. Und genau das sollte man ändern. Man sollte sich und anderen bewusst machen, was passiert, wenn man sein Leben online teilt. Und was hinter diesen vielen Fotos, Blogbeiträgen und Co steckt. Denn das, worum es eigentlich gehen sollte, ist der Umgang mit diesen Plattformen und Medien, wie wir sie selbst nutzen und konsumieren. Wie wir uns selbst damit verkaufen, oder eben auch nicht.

Meiner Meinung nach stellt sich nicht die Frage, ob wir alle fake sind. Denn ja, natürlich sind wir das. Das, was wir im Internet von uns zeigen, egal ob mit Filter oder ohne, egal ob das erste Foto, dass wir geschossen haben, oder das 15te: Alles was wir auf Social Media Plattformen publizieren ist nur ein Ausschnitt unseres Lebens und nie das große Ganze. Es ist ein Teil, der von uns ausgewählt wurde. Für den wir uns entschieden haben, ihn online zu teilen. Selbst bei einem Vlog, in dem das vermeintliche „reale“ Leben – ungeschminkt, im Pyjama – gefilmt und veröffentlicht wird, handelt es sich nur um einen Ausschnitt eines Tages einer Person, die sich dafür entschieden hat, genau diese Sequenzen zu filmen, zu schneiden und zu veröffentlichen. Und das ist auch gar nicht schlimm. Schlimm wäre es eher dann, wenn wir jede einzelne Sekunde unseres Lebens online teilen würden, ähnlich einer Truman Show. Der Unterschied hier: In der Truman Show ist alles um Truman herum fake und nur er ist real. Da er nicht weiß, das er gefilmt wird, verhält er sich so, wie er wirklich ist. Doch sobald man weiß, das eine Kamera auf einen gerichtet ist, verhält man sich anders. Und gerade im Social Media Bereich selektieren wir ganz bewusst selbst. Dieser Verantwortung sollte man sich als sogenannte Influencer bewusst sein, aber auch als Konsument.

Das, worum es bei Essinas Geschichte eigentlich gehen sollte, ist die Tatsache, dass sie die letzten Jahre ausschließlich in dieser Welt der Lebensausschnitte verbracht und ihr reales Leben, wie sie selbst auch sagt, vernachlässigt hat. Sie hat Social Media Plattformen über die Realität gestellt und dass das nicht gesund ist, sollte uns allen bewusst sein. Das Problem dabei: Nach dieser Erkenntnis nur ein paar Tage später wieder anzukündigen jeden Tag ein Video auf Vimeo zu veröffentlichen – natürlich „for the greater good“ – ist nicht unbedingt zielführend. Denn es geht überhaupt nicht darum, jetzt mehr „Realität“ in die Onlinewelt bringen zu wollen, indem wir Selfies von uns machen, in denen wir ungeschminkt sind, sondern darum, uns vielleicht etwas zurückzunehmen und vor allem auch zu reflektieren. Schließlich sollten wir – seien wir uns mal ehrlich – alle etwas weniger Zeit auf Instagram und Co verbringen und uns nicht so sehr davon beeinflussen lassen, was die anderen machen und was wir nicht erleben und nicht haben. Vielmehr geht es darum, was wir außerhalb dieser Onlinewelt alles erleben, entdecken und machen können, und das zu machen, weil es uns Spaß macht und nicht, weil es gut auf einem Instagram-Foto aussehen würde. Also einfach ein bisschen mehr leben, in der wirklichen Realität.

5 Comments

  • Reply Tuba 4. November 2015 at 19:41

    Deinen Beitrag finde ich wirklich gut, er spricht mich bisher von allen Reaktionen mit am meisten an.

    Am besten ist sicher, dass man sich etwas mehr einfach selber aus der online-Seifenblase zurücknimmt und sich immer wieder vor Augen führt, dass hinter vielen der ach so perfekten Accounts einfach Arbeit und Geld (für die Werbung) steht. Und, dass sie so perfekt sind, weil sie uns zum Konsum anhalten wollen.

    Ich finde die Aufmerksamkeit für Essanas Geschichte trotzdem gut, weil so vielleicht auch den Menschen / Jugendlichen, die noch nicht so reflektieren können, wieder klar wird, dass es eben nicht die einfache, für jeden erreichbare Realität ist.

  • Reply Franziska │ nur mal kosten 4. November 2015 at 17:34

    Hallo,

    ich finde auch, dass es vor allem wichtig ist, dass man sich bewusst ist, dass Social Media gestellt ist und nicht zu 100 % das ganze Leben darstellt. In meinen Augen kann man bei den meisten Accounts auch ohne #sponsored oder #ad erkennen, welche Fotos bezahlt wurden und bei den anderen Kanälen – selbst wenn es nur Ausschnitte sind – sieht man doch das „wahre“ Leben.
    Wie viele von uns gehen denn täglich ungeschminkt und ungekämmt raus? Und wenn man sich die Zeit vor Social Media ansieht, in der noch analoge Fotos gemacht wurden; was war das Motiv: eine Gruppe in die Kamera grinsende Menschen oder die selbigen beim Streiten zehn Minuten vorher?

    Wenn es tatsächlich so viele (junge) Instagram-User gibt, die ihr Glück an Followerzahlen hängen, dann Daumen hoch zu dem Video. Mich stört allerdings ein wenig, dass sie es so darstellt als wäre der „Ausstieg“ aus sozialen Netzwerken ein Garantiefaktor für Glück, denn es gibt genug Menschen, die keinerlei Interesse daran haben und trotzdem nicht zufrieden sind.

    Herzliche Grüße

    Franziska

  • Reply chi 4. November 2015 at 12:22

    danke liebe pixi 🙂 ich empfinde genauso und habe mich deshalb 4 monate komplett zurückgezogen um mehr auf mich zu hören. siehe da – es geht ganz wunderbar 🙂 und ich kann es jedem empfehlen. und/oder alles mit gesundem verstand und gut portioniert aufnehmen! ganz dolle grüße! chi

  • Reply Anja 4. November 2015 at 11:41

    Liebe Pixi,

    von allen Stellungnahmen/Aktionen in der Sache find ich mich in deinem Beitrag gerade am meisten wieder. Einzig in der Frage was „fake“ ist, habe ich einen anderen Standpunkt, denn ich frage mich schon, wo die große Ehrlichkeit beginnen/enden soll und was privat bleiben darf, wenn man nicht als fake person gelten möchte. Ob social media oder real life, es gibt Seiten, die eine Person privat halten und schützen will. Ich finde nicht, dassman deswegen gleich fake ist, nur weil man seinen unaufgeräumten Schrank, das unfrisierte Haar und verpennte Gesicht oder von mir aus auch die nach dem Kochen chaotische Küche nicht zeigen will. Wenn ich das alles meinen Nachbaren nicht zeigen möchte, warum sollte ich es dann posten? Und da bin ich dann wieder bei dir, wenn du das Problem eigentlich im schiefen Verhältnis von Realität und virtueller Welt siehst und finde auch, dass fettige Haare langfristig nicht die Lösung sind… Liebe Grüße und dank dir für den Beitrag!!! Anja

    • Reply Pixi 4. November 2015 at 14:31

      Hi Anja,

      danke für deinen Kommentar! 🙂 Ich bin auch absolut bei dir! Es geht eben gar nicht um die Frage, OB alles fake ist und WAS fake ist, sondern darum, Bewusstsein zu schaffen, dass wir uns dafür entscheiden, einen Teil unseres Lebens zu zeigen und einen anderen eben nicht. Es ist auch wichtig, dass man sich, vor allem als Konsument, klar wird, dass etwas weggelassen und ausgespart wird. Und das machen wir eigentlich ja auch ständig. Wir erzählen im realen Leben auch nicht jedem von unseren Sorgen und gehen, in den meisten Fällen, eben auch nicht mit fettigen Haaren aus dem Haus. „Wir spielen immer (eine Rolle), und wer es weiß, ist klug“, sagte ja schon Arthur Schnitzler. Die Sache mit den Rollen und Masken lernt man bereits in der Schule. Online ist das ganze einfach nur viel sichtbarer. Das mit dem Privatleben ist da auch ein ganz wichtiger Punkt. Man muss sich über die Konsequenzen bewusst sein, wenn man seine Beziehung oder sein Familienleben öffentlich im Internet breittritt.

      Liebe Grüße!

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