Der Lungenkrebs hat gesiegt, Christoph Schlingensief starb gestern im Alter von 49 Jahren.
Den Namen Christoph Schlingensief hat bestimmt jeder schon einmal gehört, doch wie vielseitig Schlingensiefs Arbeit war wissen nicht alle.
Anfänge mit Nekes
Schlingensief kam schon früh zum Film und begann bei dem deutschen Filmregisseur Werner Nekes („Uliisses“), der Experimentalfilme machte, zu lernen. Es folgten einige Filme – Die Deutschtrilogie: 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker (1989), Das deutsche Kettensägenmassaker (1990) und Terror 2000 (1992) – durch die er Bekanntheit erlangte. Ab 1993 folgten viele Theaterprojekte in Berlin, in den letzten Jahren arbeitete er jedoch auch stark mit dem Burgtheater Wien zusammen und gestaltete dieses Jahr 2 Inszenierungen: Mea Culpa und Elfriede Jelineks „Bambiland“.
Mea Culpa handelt von einem Mann, der Krebs hat und in eine „Klinik“ kommt. Ein sehr persönliches Stück, dass aber dennoch selbstironisch ist. Schlingensief steht auch selbst auf der Bühne und liest Briefe vor. Das Stück ist viel: Verwirrend, Ironisch, experimentell. Dennoch lässt es den Zuschauer am Ende wieder ein bisschen im Regen stehen.
Schlingensief war ohne Zweifel ein großer Regisseur, meiner Meinung nach waren seine Aktionen jedoch von größerer Bedeutung.
Politische Aktionen mit Nachgeschmack
1998 startete er eine Theaterperformance und gründete die Partei Chance 2000. Er mit seiner Partei dazu auf, den Wolfgangsee, wo Helmut Kohl Urlaub machte, zu fluten. Alle deutschen Arbeitslosen sollten zugleich in den See steigen und diesen damit überfluten. Dem Salzburger Bürgermeister ging dies zu weit, er verbot die Aktion und die Chance 2000 beugte sich. Dennoch kamen eine paar Hundert Menschen. Bei der Bundestagswahl 1998 erreichte die Partei 0,058 Prozent.
Doch auch die österreichische Politik nahm sich Schlingensief vor. So baute er 2000 einen Container in Wien, der an Big Brother erinnerte, in dem sich Asylsuchende aufhielten. Das Projekt hieß „Ausländer raus! Schlingensiefs Container“. Schlingensief war täglich als „Moderator“ vor Ort und befragte das Publikum. Dieses konnte täglich einen Asylsanwärter rauswählen und somit des Landes verweisen. Grund für diese Aktion war die stärke der FPÖ, die unter Haider damals die zweitstärkste Partei nach der ÖVP war. Für das Projekt wurde auch eine Webseite eingerichtet, die oftmals durch zu viele Zugriffe ausfiel. Schlingensief selbst zitierte in seinen Reden oft Jörg Haider, der für seine rassistischen Äußerungen bekannt war.
Schlingensief wollte wachrütteln, das ganze an die Spitze treiben. Doch viele Leute verstanden es nicht, nahmen das Projekt ernst und stimmten dem Ganzen zu, aber auch Gegner waren vor Ort, sodass es zu einem Gespräch und zu Diskussionen kam.
Diese Aktion wurde auch verfilmt, ein Film den ich sehr empfehlen kann: Ausländer Raus! – Schlingensiefs Container, bei Amazon
Ein bisschen Ruhe
Schlingensiefs Aktionen waren meiner Meinung nach Großartig, und vor allem auch Nötig. Und sowas wird fehlen.
Dennoch bin ich einer Meinung mit der Spex (Interview mit Schlingensief gibt es in der aktuellen Ausgabe #328): Nach einem so turbulenten Leben, mit so vielen Höhen und Tiefen, mit so vielen Taten und Aktionen, hat er nun ein wenig Ruhe verdient. Und ich hoffe sehr, dass er diese auch bekommt.
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[…] Christoph Schlingensief” statt. Veranstaltet vom Elfriede Jelinek-Forschungszentrum. Welche Arbeiten von Schlingensief mich geprägt haben? Seine für mich verstörenden Filme, seine Theaterinszenierungen und […]